Im tiefen Keller, in den ausgedehnten Gewölben des Eckhauses Rosengasse/Repfergasse, drei Stockwerke unter der Erde, gedeihen zweierlei «Leben»: ein ruhiges, beschauliches, abgeschirmtes - und ein geselliges, fröhliches. Die Ruhe ist den über 20000 Flaschen Wein vorbehalten, die hier gelagert sind, ausreifen und auf das Entkorken warten: Dann sorgt der «Weinclub Schürlicheller» für den zweiten, den gemütlichen Teil. Seit dem 24. September 1979, dem Datum der Gründungsversammlung, funktioniert diese Symbiose zur Zufriedenheit der Schürlicheller-Weinfreunde, die sich durchaus ein wenig als Aussenseiter unter den zahlreichen Weinclubs fühlen. Wohl verbindet sie mit vergleichbaren Gesellschaften die Liebe zum Wein und die Kennerschaft, aber weder wollen sie aus ihrem Hobby eine Wissenschaft machen noch es überspitzt «zelebrieren». Denn so kostbar die gelagerten Köstlichkeiten auch sein mögen, das Credo lautet primär doch: Ein guter Tropfen verdient nicht nur Lob und Anerkennung, er verdient auch, unprätentiös getrunken zu werden.
Am Anfang stand ein Mangel, stand der Wille, Abhilfe zu schaffen: So mancher Weinfreund (und -freundin) durfte zwar stolz auf seine edlen Tropfen sein, aber es fehlten geeignete Lagermöglichkeiten. Der eigene Keller ist oft nicht der ideale Ort, hochkarätige Weine unbeschadet altern zu lassen. Der ausgedehnte Gewölbekeller unter dem Haus Ecke Rosengasse/ Repfergasse, der «Schürficheller», aber bietet ein optimales Umfeld. So bildete sich, offiziell am 24. September 1979, der Weinclub Schürficheller, und er verstand sich durchaus als Zweckgemeinschaft, als «Weinlagergesellschaft».
Heute ist der Keller, der 45 Fächer (Abteile) zu je 500 Flaschen umfasst, vollständig belegt Interessenten für ein Fach kommen auf eine Warteliste. Über 20000 Flaschen Wein lagern hier, drei Stockwerke unter der Erde. Darunter natürlich zahlreiche Kostbarkeiten und Köstlichkeiten, die einen respektablen Wert verkörpern.
Geselligkeit an erster Stelle
Im tiefen Keller lassen die Mitglieder des Weinclubs aber nicht nur ihre Schätze reifen und gedeihen, hier haben sie auch ihr «Clublokal» eingerichtet, ein nüchternes Gewölbe, gänzlich ohne Dekoration und Schnickschnack, getreu der Devise, wie es Vorstandsmitglied Felix Arìes umschreibt, dass hier «eine reine Weinkelleratmosphäre» herrschen soll. Äusserliche Stimulation haben die Clubmitglieder auch gar nicht nötig. Dafür sorgt, natürlich, der Wein, dafür sorgt aber auch die Zusammensetzung der Gesellschaft selbst.
«Die Geselligkeit», meint Clubpräsidentin Aitce Ruf, «steht bei uns an erster Stelle.» Der Weinclub hat sich zur fröhlich verschworenen Gemeinschaft entwickelt, die blosse «Zweckgemeinschaft» ist weit in den Hintergrund gerückt Der Club übt sich denn auch bei der Aufnahme neuer Mitglieder in Zurückhaltung. Nicht nur, weil die Fächer belegt sind (man kann auch beitreten, ohne ein Fach zu besitzen). «Unkompliziert» (Alice Ruf) muss ein neues Mitglied sein, «fröhlich, aufgestellt». Im Schürficheller, gilt der Grundsatz, wird nicht Trübsal geblasen. Wer, über den Wein, nach geschäftlichen Beziehungen sucht, ist ebenfalls fehl am Platz. «Solche Leute», stellt Felix Aries fest, «hätten bei uns einen schweren Stand.» Dafür ist der Club dem weiblichen Element gegenüber durchaus offen: Frauen sind als Mitglieder sehr erwünscht, aufgenommen wird auch jeweils ein «Ehepaar». Denn die Frau, weist der Weinclub die Richtung, soll nicht zu Hause sitzen, derweil der Mann sich im Keller am Weine labt Die frauenfreundliche Haltung hat bereits Erkenntnisse gezeitigt. Kellermeister Ernst Hui hat nämlich festgestellt, dass Frauen «einen ganz ausgezeichneten Geschmack» besitzen. Sie können, in Sachen Wein, manchen Männern einiges vormachen.
Sammler-Leidenschaft
Kaum ein Wein, der nicht im Schürficheller zu finden wäre. Hier lagert kommuner Landwein neben einem hochkarätigen Burgunder oder Bordeaux, hier stapeln sich italienische, spanische, einheimische Weine, die Fächer sind so individuell belegt wie es eben auch die Geschmäcker sind. Und: Der Sammler-Leidenschaft sind keine Grenzen gesetzt Ein Mitglied des Weinclubs beispielsweise sammelt nach dem «ABC», für jeden Buchstaben des Alphabets liegt auch ein Wein (mit entsprechendem Anfangsbuchstaben) im Fach. Ein anderer setzt seinen Stolz darin, in seiner Sammlung jedes Burgunder Weinbaudorf vertreten zu haben. Kellermeister Ernst Hui haben es die Jahrgänge angetan: Er will aus jedem Jahr mindestens einen Wein im Keller haben. Die Reihe reicht bis 1945 zurück. Alice und Ehemann Peter Ruf schliesslich sammeln die Etiketten der «guten Weine, die wir getrunken haben».
Aber so unterschiedlich die Sammel-Leidenschaften sein mögen, eine ist nicht darunter. «Aus Profitgier», meint Felix Aries, «lagert hier niemand Wein ein.» Man spekuliert nicht mit einer Wertsteigerung, «man gibt nicht an mit allen Weinen» (Alice Ruf). Obwohl sich natürlich, wie Vorstandsmitglied Peter Sandmeier bekennt, zahlreiche Raritäten im Schürlicheller finden lassen. Sandmeier beispielsweise zaubert einen Mouton Rothschild auf den Tisch (der Korken bleibt natürlich unversehrt), den eine Etikette von Picasso ziert.
Keine «Sektierer»
Aber so «gewichtig» der Tropfen auch sein mag, «zelebriert» wird der Wein im Schürlicheller nicht. Der Club will nicht «sektiererisch» sein und aus der Liebhaberei «eine Wissenschaft» machen, meint Aries, und auch Präsidentin Alice Ruf lehnt «jede Wichtigtuerei» ab. Dieser unkomplizierte Stil, der deutlich von jenem mancher anderer Weinvereinigung absticht, wird nicht überall verstanden. Auch nicht bei den Degustationen (mindestens drei im Jahr), die im Keller durchgeführt werden. Schon mancher Händler, gibt der Vorstand des Weinclubs zu erkennen, habe sich entsetzt, weil die Mitglieder während der Degustation ungeniert auch, einen «Znüni» zu sich nahmen, sich gelegentlich auch eine Zigarette angezündet und wenig Wert auf verbales Brimborium legten. Felix Aries umschreibt die unprätentiöse Haltung in einem Satz: «Die andern riechen den ganzen Tag am Wein, wir trinken ihn.» Im Schürlicheller, kein Zweifel, ist eine fidele Gesellschaft zu Hause. «Guter Wein», wusste schon Shakespeare, «ist ein gutes geselliges Ding - wenn man mit ihm umzugehen weiss.» Auch den «Umgang» hat der Weinclub Schürlicheller im Griff. «Bei uns», kann Alice Ruf beruhigen, «ist kein Alkoholiker zu finden.» Und: «Es ist auch nach den muntersten Festen im Keller noch nie vorgekommen, dass ein Mitglied nicht selbst wieder an die Oberfläche gefunden hat.» Wohl bekomm's, und: Prosit
Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 14. November 1987 von Jörg Riser