Bauen unter Bäumen, Bauen mit Holz, und nicht für die Ewigkeit

Schaffhausen, Grubenstrasse. Ein Quartier geprägt von herrschaftlichen Villen in grosszügigen, parkähnlichen Gärten, daneben ältere Ein- und Mehrfamilienhäuser. Hekken, Mau9ern oder Zäune schirmen die Wohnhäuser gegen die befahrenen Strassen ab. Abgesehen von notwendigen Gebäuderenovationen sind Neubauten in diesem Quartier selten. Eine der erwähnten Villen ist die ehemalige Villa Uehlinger, mit einem parkähnlichen Garten und mit einem prachtvollen, alten Baumbestand. Neben der Villa stand ungenutzt das Werkstatt- und Waschhaus.

 

Die neue Liegenschaftsbesitzerin, die Immobiliengesellschaft der Aries-Firmengrupe, wünschte sich eine Nutzungslösung, bei der die Villa ohne grosse Umbaumassnahmen als Geschäftshaus genutzt werden soll. Die noch fehlenden Räumlichkeiten für die Ateliernutzung sollten im Waschhaus eingebaut werden. Um den von den Baubehörden geforderten Wohnanteil zu erhalten, Hesse sich im oberen Gartenteil ein Einfamilienhaus realisieren. Eine weitere Auflage der Behörden, gleichzeitig aber auch eine eigene Einschränkung der Besitzer, lag im Erhalt der wertvollen alten Bäume. Neues Bauen war demzufolge mit gängigen Methoden nicht möglich. Zurück zur Villa. Die neue Nutzungsabsicht liess sich mit dem Zustand und der Raumaufteilung des Gebäudes ideal vereinbaren. Ausser dem Entfernen aller in letzter Zeit eingebauten «Renovationen» waren keine baulichen Massnahmen nötig. Untersuchungen am Nebengebäude, mit dem Ziel Umbau zum Atelier, zeigten, dass die Tageslichtverhältnisse unter den mächtigen Nussbaum- und Tannenästen nicht verbessert werden können. Ohne Tageslicht kein Atelier, oder durch einen geschickt orientierten Neubau ein Atelier mit viel Tageslicht, ohne die Bäume zu opfern? Und dann, mit dem gleichen Baugedanken ein Wohnhaus im oberen Gartenteil bauen?

 

Das Haus als Gerüst

Bauen unter Bäumen: Dieses Thema prägte den Entwurfsprozess. Die Situierung der Bauten verlangte eine klare Haltung ihrer Stellung zur Villa. Gleichzeitig soll auch die Architektur diesen Bezug zur Villa und die Stellung im Quartier verdeutlichen. Die neuen Bauten sollen Nebengebäude sein, Nebengebäude auf Zeit und mit dem Ausdruck und dem Material ihrer Zeit. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte erfolgte die Baueingabe für ein Atelier am gleichen Standort und in der gleichen Grösse wie das ehemalige Waschhaus. Einziger Unterschied: veränderte Orientierung. Das Projekt des Wohnhauses wurde gleichzeitig bearbeitet. Die Grundidee für das Wohnhaus war die Konzeption eines «nofamilyhouses», eines Un-Familienhauses, das erst durch Eingriffe der Familientechnik seiner Bestimmung zugeführt wird. Das Haus als Gerüst fürs Familienwohnen. Vorgaben dieser Art verlangen dem Gehäuse vieles ab, lassen aber vieles zu. Dem Zulassen von Entwicklungen im Gehäuse sollen bis auf wenige Fixpunkte fast keine Grenzen gesetzt werden.

 

Container, Pavillon, Fertighaus

Erste Absichten für Häuser aus Stahl und Glas, erwiesen sich als unzweckmässig. Baugrunduntersuche wiesen den Verlauf und das Vorhandensein von verschiedenen Erdstrahlen nach, die in der Kombination mit den geplanten Materialien kein gesundes Wohnen und Arbeiten versprachen.

 

Die Absage an die Stahlbauweise und die Zuwendung zum Holzbau liess den ursprünglichen Gedanken wieder aufleben, einfach etwas zum Wohnen und zum Arbeiten hinzustellen. Vielleicht vom Ausdruck her sogar etwas Unfertiges bauen, ohne damit die Architektur zu vergessen. Im Gegenteil. Einfache Gebäude stellen mit ihren Randbedingungen hohe Anforderungen an die Konstruktion, an das Material, an die Funktion und an die Ästhetik. Überflüssige Bauteile und Details wurden weggelassen, um damit die Einfachheit der Baukörper klarer erscheinen zu lassen.

 

Leichtbaumaterialien

Bauen mit Holz: Holz und Wohngifte? Holz und Verfaulen? Holz und Baukosten? Holz und Bauzeit? Holz und Gebäuderisse durch Nachschwinden? Holz und Barackenklima? Fragen über Fragen und nur teilweise Anworten, die den reinen Holzbau unterstützten. Erst in der Zusammenarbeit mit dem Holzbauunternehmen Rupli in Hallau begann ein intensives Frage- und Antwortspiel zwischen Architekt und Holzbauer. In dieser Phase konnten die Kompetenzbereiche und die Vertrauensbasis für die Zusammenarbeit gefestigt werden. Die erste Hürde war übersprungen. Die zweite Hürde bei der Leichtbauweise heisst Raumklima. Erneut begannen Diskussionen rund um die Behaglichkeit und um das Raumklima, für das die Baukonstruktion verantwortlich zeichnet. Architekt und Holzbauer auf der einen Seite, Hersteller von Leichtbaumaterialien für Wände und Verkleidungen auf der anderen Seite verstrickten sich in langwierige Gespräche auf der Suche nach dem idealen Baumaterial als Partner zur Holzskelettkonstruktion. Nachträglich gesehen war das Vertrauen beim Planungsbeginn in die Holzkontruktion eher klein, da die Langzeiterfahrung für die beabsichtigte Elementbauweise fehlte. Praktiziert wird diese Art zu bauen vor allem in Amerika und Kanada, jedoch ohne die Fülle unserer SIA-Normen, Baugesetze und Bauvorschriften. Beispielsweise Schallschutz, Wärmedämmvorschrift, feuerpolizeiliche Auflagen usw.

 

Nach der intensiven Detailplanungsphase stand die Konstruktion der Gebäude fest. Kanadische Sperrholztafeln als Aussteifung der Holzskelettkonstruktion und als Wetterhaut an der Fassade, Gipsplatten als innere Wandschale und für Trennwände, bildeten die hauptsächlichsten Baumaterialien. Materialien, die kurze Bauzeiten versprachen und die in der Trockenbauweise verarbeitet werden konnten. Kurze Bauzeiten nützen jedoch wenig, wenn die Zeit der Bautrocknung nicht eingerechnet wird Mineralische Isolationsmatten, Wärmeschutzgläser und giftfreie Ausbauteile vervollständigten die Palette der verwendeten Konstruktionsteile, die abgestimmt aufeinander ein zukunftsorientiertes Bauen versprechen.

 

Bauzeit zehn Wochen

Kurze Bauzeiten verlangen eine exakte und straffe Organisation. Mit der Elementbauweise spielte die Koordination zwischen Baustelle und Werkstatt eine eminent wichtige Rolle. Dank hervorragender Präzision der in der Werkstatt gefertigten Holzelemente konnte das Atelier 10 Wochen nach Beginn der Bauarbeiten bezogen werden. Die Fertigstellung des Wohnhauses erfolgte vier Monate später.

 

Wohnen und Arbeiten in den beiden Neubauten

Bereits deutlich sichtbar wird die beabsichtigte Ausbleichung der unbehandelten Sperrholzfassade, die sich in ein paar Jahren als silbergraue Holzhaut zeigen wird und je nach Orientierung heller oder dunkler erscheint. Damit hebt sich das «silbergraue Gartenhaus» deutlich vom weissgestrichenen Atelier ab und distanziert sich von der dominanten Villa. Spätestens dann ist die Häuser-Hierarchie im Park wieder hergestellt.

 

Architekt: Aries. Bührer, Ruf + Partner AG. Architekten, 8201 Schaffhausen. Verantwortlich: Felix Aries, Architekt SWB

 

Holzbau: Harmo Montagebau, Herr H. Rupli jun.. Herr St. Gerber. Ingenieur, 8215 Hallau

Das als «silbernes Gartenhaus» bezeichnete Wohnhaus an der Grubenstrasse in Schaffhausen: Der Architekt konzipierte es als «Gerüst fürs Familienwohnen».
Das als «silbernes Gartenhaus» bezeichnete Wohnhaus an der Grubenstrasse in Schaffhausen: Der Architekt konzipierte es als «Gerüst fürs Familienwohnen».
Das Innere des Hauses: Die Familie entscheidet wann und wo sie Wände eingezogen haben will.
Das Innere des Hauses: Die Familie entscheidet wann und wo sie Wände eingezogen haben will.
Das Atelierhaus nahe beim Wohnhaus: Die gleiche Konstruktion wie das Wohnhaus, doch genutzt als Arbeits-Haus. In wenigen Tagen liesse sich das Atelierhaus in ein Wohnhaus verwandeln.
Das Atelierhaus nahe beim Wohnhaus: Die gleiche Konstruktion wie das Wohnhaus, doch genutzt als Arbeits-Haus. In wenigen Tagen liesse sich das Atelierhaus in ein Wohnhaus verwandeln.

Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 24. Oktober 1990 von Felix Aries