Tradition und Innovation

Rund 2500 Quadratmeter umfasst die quadratische Baurechtsparzelle der Firma Scheffmacher AG an der Abzweigung Neutalstrasse/Breitwiesenstrasse im nördlichen Herblingertal. Mit dem Projektentwurf wurden die Voraussetzungen geschaffen, damit das zukünftige Arbeiten im neuen Betrieb, nach einem traditionellen Muster gewerblichen Bauens, funktioniert: Strassenseitig gelegene Verkaufs- und Repräsentationsräume, der Werkhof für die umfangreichen Beund Entladearbeiten sowie für die Erschliessung der angrenzenden Werkstatt. Dieses Bebauungsmuster hätte entlang der Breitwiesenstrasse gebaut werden müssen. Schade, dass bereits der erste Anstösser ein neues System wählte.

Die Entwurfskomposition thematisiert die unterschiedlichen Bedeutungen und Aufgaben der einzelnen Baukörper, im strukturellen Aufbau von Form und Funktion, Licht und Raum sowie in Reduktion und Anwendung der Materialien. Der Einbezug des handwerklichen Fähigkeitspotentials spielte auch bei diesem Detail-Entwurfsprozess eine entscheidende Rolle, obwohl man wusste, dass an diesem Punkt praktisch das ganze handwerkliche Baugewerbe eine krankhafte, fast unheilbare Entzündung hat.

 

Ein sehr entwurfsanregender Dialog entsprang der Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft. Schleifen, Malen, Tapezieren, Streichen sind Vorgänge, die sich auf den äussersten Millimetern eines Bauwerkes abspielen. Licht und Schatten urteilen über die Qualität des Pinselstriches, des Ablaufes mit der Spritzpistole und über die Qualität des verwendeten Materials. Das Thema Licht und Schatten und die äusseren Oberflächen wurden immer wichtiger im Entwurf.

 

Der Aufbau der Fassade aus einer tragenden, isolierenden und schützenden äusseren Schicht ist die bei uns häufigste Konstruktion der Aussenwände. Die funktionale Reduktion der Aussenhülle erlaubt Sempers Prinzipien der Bekleidung neu zu formulieren.

 

Geometrisches Spiel

Beim Kopfbau steht das dreidimensionale, gewölbte und gefaltete Kalksandsteingewand selbständig vor dem dahinterliegenden Verwaltungstrakt, scheinbar verbunden und dennoch klar verschieden.

 

Das Gewand gehört der Bauherrschaft zur visuellen Darstellung ihres Unternehmens. Ich erinnerte mich für dieses Konzept an die jeweils farbenprächtigen Scheffmacher-Citymärkt-Aktionen an der Hofmauer am Platz. Was sich im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes deutlich lesbar als strenge Gliederung abzeichnet, wird im Obergeschoss zum geometrischen Spiel mit der dominanten Figur des Ausstellungsraumes. Hier sollen die Mechanismen des Sehens und des Tastens der Kunden angeregt werden. Das Betrachten von Oberflächen, von Farben im natürlichen Tageslicht aus Distanz und aus der Nähe soll hier das Thema sein. In gleicher Weise erlebt der Betrachter den Raum. Er sieht ins Grüne zu den Sportplätzen, zum Wald, oder er erfasst die Durchsichtigkeit der Glaswand und die Blicktiefe in den äusseren Freiraum. Von aussen betrachtet, lässt die nach Norden gerichtete Ausstellungsverglasung die verlockende Zweideutigkeit von Fenster und Wand erkennen, die, wie eingangs erwähnt, der «Vorhangwand» eigen ist. Das Weiterlaufen der Betonkante unter dem Glas gehört nur dem Licht für das Schattenspiel auf der leichten Wölbung des gemauerten Gewandes. Die visuelle Kohärenz wird in der Hauptfassade etwas bedroht durch die Glasbausteinwand, jedoch durch das ebenfalls gemauerte Glas wiederhergestellt.

 

Kurz zurück zum Grundriss im Obergeschoss. Die Büros bilden ein Nebeneinander gleicher Raumfolgen, ablesbar in der Hoffassade über dem dazwischengespannten Glasdach.

 

Hohe Flexibilität

Für die Baumalerei wurde ein Nutzraum, eine tektonische Hülle, geschaffen, die nach den Anforderungen der Betriebsleitung funktioniert.

 

Die Funktionen der Baumalerei setzten wir in eine klare architektonische Aussage um. Die Gliederung in drei gleiche Elemente mit jeweiligen Zwischenräumen entsprang der Umsetzung des Arbeitsprozesses: Schleifen, Streichen, Trocknen. Die Räume greifen ineinander über, bilden Nischen und können dank den weitgespannten Konstruktionen mit hoher Flexibilität genutzt werden. Die offenen Konstruktionen gewährleisten andererseits auch die Anpassungen und das Schritthalten mit technischen Neuerungen, die mit dem Voranschreiten der Technologie eine wesentlich kürzere Lebensdauer haben als die konstruktiven Bauteile. Den Anforderungen des Umweltschutzes wurde mit dem Einsatz der zur Zeit aktuellsten Technik Rechnung getragen.

 

Zum Schluss danken wird der Bauherrschaft Scheffmacher für die grosse Freiheit bei der Gestaltung der Grundrisse und bei der Suche nach dem stimmigen Verhältnis von Licht und Raum, die für ein gesundes Betriebsklima schlussendlich verantwortlich sind.

 

Projekt: Felix Aries, dipl. Innenarch./ Arch. SWB (Aries, Bührer, Ruf + Partner AG Architekten); Ausführung: Christian Bächtold, dipl. Bauleiter.

Klare Linien dominieren den Bau und erzeugen Spannung.
Klare Linien dominieren den Bau und erzeugen Spannung.
Lehrling Marcel Steinemann demonstriert Spachteltechniken.
Lehrling Marcel Steinemann demonstriert Spachteltechniken.
Wichtiger Mann: Willi Winter, Leiter der Baumalerei.
Wichtiger Mann: Willi Winter, Leiter der Baumalerei.
Dieter Leisse im neuen, modernen Spritzwerk. Anschliessend trocknen die Objekte im «Abstellbahnhof».
Dieter Leisse im neuen, modernen Spritzwerk. Anschliessend trocknen die Objekte im «Abstellbahnhof».
Erwin Joos mischt Farben über dem umweltgerechten Auffangbecken.
Erwin Joos mischt Farben über dem umweltgerechten Auffangbecken.
Frank Beccara bedient Kunden im Farbengros-Handel.
Frank Beccara bedient Kunden im Farbengros-Handel.

Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 24. Mai 1991 von Felix Aries