Therapie für schwierigen Patienten

Wie kann unser krankes Gesundheitswesen aus dem Dilemma von Kostendruck und Qualitätsanspruch befreit werden? Dieser Frage gingen gestern Fachleute aus Politik und Wirtschaft sowie Medizin und Architektur an einem Sym-Sosium der Architechnic AG im dtel Chlosterhof in Stein am Rhein nach.

Die Fakten sind bekannt: eine ständig sich verbessernde Medizinaltechnik, die erhöhten Komfortansprüche der Patienten, der steigende Personalaufwand und eine zunehmende Spezialisierung lassen die ohnehin schon hohen Gesundheitskosten weiterhin in bedrohlicher Weise anschwellen. Spitalbaukosten, Betriebsdefizite und Krankenkassenprämien überfordern die öffentliche Hand und den privaten Versicherten in gleicher Weise. Auf diesem Hintergrund wurde gestern an einem Symposium im Hotel Chlosterhof über neue Lösungen nachgedacht. Nach der Begrüssung durch Hans-Paul Bilhrer, Vertreter der Architechnic AG, stellte Marc-Andre Giger, Redaktor beim «Cash», neue Möglichkeiten vor, um auf das Angebot von medizinischen Leistungen auf kostendämpfende Weise einzuwirken.

 

So sollen die Ärzte vermehrt nach dem Erfolg ihrer Bemühungen und weniger nach ihrem individuellen Aufwand entschädigt werden. Teure medizinische Leistungen seien restriktiver zu handhaben. Die Spitalverwaltung soll aufgrund von Globalbudget zu unternehmerischem Handeln gezwungen werden. Der Versicherte könnte durch freie Franchisen und neue Bonussysteme zu einer verminderten Inanspruchnahme des Gesundheitsdienstes und damit auch zu einer gesünderen Lebensweise motiviert werden. Den Krankenkassen ist durch den Abschluss von speziellen Verträgen mit den Leistungsanbietern mehr Handlungsspielraum zu ökonomischeren Verhalten zu gewähren.

 

Nach Bernhard Güntert, Dozent an der Hochschule St. Gallen, müssen die «Managementdefizite» an den Krankenanstalten durch tüchtige Ökonomen abgebaut werden. Chefärzte dürfen nicht mehr nur nach fachlichen Kriterien, sondern vermehrt auch aufgrund ihrer Führungseigenschaften ausgewählt werden. Die Dominanz politischer und professioneller Interessen soll durch ein verstärktes Kostenbewusstsein gebrochen, der defizitäre Staatsbetrieb durch effiziente «Health-Profit-Centers» abgelöst werden. Ein von Rene Boucard, Exponent der Praxag Luzern, dargelegter Quervergleich zwischen öffentlichen und privaten Krankenanstalten zeigte deutlich, dass bei einem gezielten Mitteleinsatz mehr Leistung bei weniger Kosten möglich ist. Mit mehr Licht, mehr Glas, mehr Sonne und mehr Pflanzen in der Wohnung und am Arbeitsplatz will Dieter Schlempp, Architekt aus Tübingen, dafür sorgen, dass sich die Menschen im Alltag wohl fühlen und gar nicht erst krank werden. Aber auch im Krankenhaus soll mit einer neuen «Solararchitektur» die Behaglichkeit des Patienten verbessert und der Energieverbrauch vermindert werden. Für Stephan Gerhard, Geschäftsführer der Teugast . GmbH, und Daniel E. Eggli, Herausgeber der Zeitschrift «Salz und Pfef- fer», könnte der Heilungsprozess im Spital auch durch bessere Dienstleistungen und eine gastfreundlichere Atmosphäre beschleunigt werden. Bei Tagespauschalen, die weit über den Ansätzen eines Grandhotels liegen, könne mehr getan werden, um die Lebensfreude kranker Menschen zu heben, stellten die Referenten — . begleitet vom lebhaften Beifall der Zuhörer - fest.

 

Zum Abschluss der Tagung demonstrierten Christof Berlinger, Stefan Fricker und Hansruedi Fischer vom Kantonsspital Basel die neuen Möglichkeiten des Einsatzes von Kameras, Bildschirmen und Datenträgern in der Telemedizin. Durch modulare Kommunikationsprozesse können medizinisch relevante Daten live übertragen, Ferndiagnosen gestellt und die physische und psychische Belastung des Patienten bei Eingriffen vermindert werden. So muss der Körper nicht mehr aufgeschnitten werden, wenn eine Operation via Sonden vorgenommen werden kann. Ob diese neue Technik die Kosten im Gesundheitswesen vermindert, kann noch nicht klar beantwortet werden. In einer ersten Runde ist sie vielmehr mit relativ teuren Investitionen verbunden. (W.J.)

 

Architehnic AG

Unter der Bezeichnung Architechnic AG haben sich Architekten sowie weitere Fachleute zu einem Unternehmen zusammengeschlossen, die das Bauen als ganzheitlichen Prozess betrachten. Die Architechnic - sie trat gestern als Veranstalterin des Symposiums über neue Wege im Gesundheitswesen auf - plant und berät in Architektur und Gebäudetechnik, in Funktionsanalyse und Ökologie, schafft eine Organisation mit Generalisten im Denkund Spezialisten im Ausführungsbereich. Die Geschäftsleitung setzt sich aus Ständerat Kurt Schule, Jurist Hans Düggelin, Architekt Felix Aries, Grafikerin Christine Keller und Architekt Lucio Aries zusammen. (wjs)

Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 12. November 1993