Immer mehr Menschen suchen nach Mittel und Wegen, um der Kostenexplosion im Gesundheitswesen endlich Einhalt zu gebieten. Am vergangenen Donnerstag liess die von Felix Aries und Hans-Paul Bührer gegründete Architechnic AG eine ganze Reihe innovativer Quer- und Umdenker an einem Symposium im Hotel Chlosterhof in Stein am Rhein zu Wort kommen, um neue Ideen zur Genesung unseres kranken Gesundheitssystems darzulegen.
Fast alles ist bekannt: Wir wissen längst, dass wir im Gesundheitswesen nicht überall und jederzeit maximale Technik fordern und höchste Komfortansprüche stellen können. Wir haben längst erkannt, dass die Ärzte finanziell mehr am tatsächlichen Erfolg und weniger am zeitlichen Aufwand ihrer Bemühungen beteiligt werden sollten. Wir sind uns bewusst, dass zu oft die Symptome statt die Ursachen einer Krankheit bekämpft werden. Auch die Tatsache, dass die meisten Krankenanstalten zuviel nach medizinischen und zuwenig nach ökonomischen Prinzipien geführt werden und dass es in vielen öffentlichen Institutionen am notwendigen Kostenbewusstsein mangelt, ist nicht neu. Der Ruf nach mehr Effizienz und besserem Management im Spital ist am Architechnic-Symposium in Stein am Rhein nicht zum erstenmal erschallt.
Trotzdem Hessen die von namhaften Experten zusammengetragenen Fakten aufhorchen. Eine Kostensteigerung im schweizerischen Gesundheitswesen von 10 auf 30 Milliarden Franken pro Jahr innerhalb von weniger als 20 Jahren hinterlässt im Geldbeutel der Eidgenossen deutliche Spuren. Wir verbrauchen immer mehr Geld, um unseren Organismus wieder gesund zu machen. Weil das Gesundheitswesen keine vernünftigen Marktstrukturen aufweist, verschlingen die Prämien für Krankenkasse und Spitalversicherung einen immer grösseren Anteil an unserem Einkommen. Statt des Patienten bestimmt der Arzt, wie oft man seine Leistung nachzufragen hat. Aus fachlichem Interesse werden mitunter selbst an todkranken Menschen aufwendige Operationen vorgenommen. Wo sich die Ärzte und das Pflegepersonal nicht selbst um ein verstärktes Kostenbewusstsein bemühen, werden teure Medikamente verabreicht, wo ein billiges Hausmittel die gleiche Wirkung entfalten könnte.
Noch verrückter sind die Kostenstrukturen in den Krankenanstalten. Wird die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Patienten dank gezieltem Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel verkürzt, gehen die in der Form von Tagespauschalen ausgerichteten Einnahmen zurück. Wegen der vergleichsweise hohen Fixkosten werden die Fehlbeträge um so grösser, je effizienter das Spital arbeitet. Eine absurde Situation, wie ein Referent in Stein am Rhein zu Recht konstatierte. Unter den Stichworten «Helth Maintenance Organization» beziehungsweise «Diagnosis Related Groups» haben findige Köpfe inzwischen Modelle entwickelt, die der latenten Überversorgung Einhalt gebietet. Ärzte, die ihre Patienten zurückhaltender behandeln, oder Spitäler, die Operationen besonders kostengünstig durchführen, sollen am eingesparten Betrag beteiligt werden. Damit - so hoffen die Experten -kann bei gleicher Qualität eine kostengünstigere Gesundheitsversorgung etabliert werden.
Mehr Verblüffung als die neuen Management-Methoden und transparenteren Kostenstrukturen löste am Steiner Symposium der relativ simple Quervergleich zwischen einem Grandhotel und einer Krankenanstalt aus. So stellte etwa Stephan Gerhard fest, dass sich der Gast an beiden Orten eine gute Betreuung, eine behagliche Unterkunft und eine schmackhafte Verpflegung erhofft. Doch anstelle eines ansprechenden Baukörpers, eines freundlichen Empfangs, guter Kost und angenehmer Ambiance wird der kranke Mensch allzuoft in einem kahlen Kasten mit steriler Atmosphäre und phantasieloser Ausstattung betreut. Statt die Lebensgeister der Patienten durch sinnliche Genüsse zu wecken, gelangen vielfach lieblos zubereitete Speisen in die weissgetünchten Krankenzimmer, monierte etwa Gastro-Kritiker Daniel E. Eggli.
Natürlich lässt sich ein Krankenhaus nur bedingt mit einem Hotelbetrieb vergleichen, und ein guter Service ist auch im Gastgewerbe nicht einfach gratis zu haben. Bei näherer Betrachtung muss ein objektiver Betrachter jedoch feststellen, dass es keinen Grund gibt, sich nicht auch im Spital um eine angenehme Ambiance, um eine kundenorientierte Haltung und um eine auf die Bedürfnisse der Patienten ausgerichtete Struktur zu kümmern. Die Experten haben längst erkannt, dass das Wohlbefinden eines Menschen von seinem Umfeld abhängt: Teure Apparate und hervorragende medizinische Leistungen können ihre Wirkung mit Sicherheit besser entfalten, wenn sie im Krankenhaus von einer angenehmen Atmosphäre begleitet werden. Vielleicht nimmt sich die zur Vorberatung der grossen Investitionsvorhaben unserer Krankenanstalten eingesetzte Gesundheitskommission für einmal auch diesem Aspekt der «Leistungsverbesserung» in unseren Krankenanstalten an. Hier könnte mit wenig Geld noch viel für das Wohl der Patienten getan werden. (W. J.)
Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 13. November 1993