Der Schaffhauser Juristen-Verein führte kürzlich seinen Herbstbummel durch. Als besondere Attraktion wurde dieses Jahr ein juristischhistorischer Stadtrundgang unter der kundigen Leitung von Staatsschreiber-Stellvertreter Christian Schneider angekündigt.
Vereinspräsident und «Rüden»-Zunftmeister Martin Frey konnte im ehemaligen Zunftsaal des Hauses «zum Rüden» eine überaus grosse Zahl Vereinsmitglieder und Anghörige begrüssen. Das Haus «zum Rüden» stellt einen der Öffentlichkeit kaum bekannten Höhepunkt der Prachtentfaltung des alten Schaffhauser Stadtstaates dar. Wie Architekt Felix Aries darlegte, soll das Haus nun in einer neuartigen Weise renoviert und rekonstruiert werden und als Fortbildungszentrum für Ärzte und Juristen ausgebaut werden. Christian Schneider benutzte die Gelegenheit, auf die Ursprünge des Schaffhauser Zunftregimes hinzuweisen, das während langer Zeit die Geschicke des Stadtstaates leitete.
Grausame Vergangenheit
Der Bummel führte anschliessend in die Rathauslaube, wo im Hinblick auf den erweiterten Raumbedarf der Behörden unter der Zunftverfassung rechtzeitig ein neues Rathaus geschaffen winde. Dieses war zugleich auch Gerichtshaus, da Kleiner und Grosser Rat auch die gerichtlichen Funktionen ausübten (keine Gewaltentrennung, sondern Machtkonzentration bei den Räten). Interessant zu erfahren war, dass die Rathauslaube nicht nur politischen und gerichtlichen, sondern auch geselligen Zwecken diente. Im hervorragend renovierten Haus «zum Luchs» wurden anschliessend die Überreste der StAnna-Kapelle besichtigt, welche für religiöse Bruderschaften (Vorläufer der Handwerkerzünfte) bedeutsam war. Das Haus als Ganzes bildete zusammen mit dem Nachbarhaus lange Zeit das «Seelhaus» und war eine tragende Einrichtung des mittelalterlichen Sozialsystems der Stadt (Herberge für arme, kranke und verwahrloste Städtbewohner und Wandergesellen). Im malerischen Rinkengässchen, früher entsprechend der dort ansässigen Bevölkerung «Judmannsgässchen» genannt, erinnerte der Referent daran, dass es auch in Schaffhausen im Mittelalter zu grausamen Judenverfolgungen gekommen war.
Besonderer Strafvollzug
Zum Abschluss des Bummels begab sich die Gesellschaft hinunter auf den Freien Platz, wo Christian Schneider über besondere Methoden des mittelalterlichen Strafvollzuges referierte. So wurden etwa
wegen Bigamie, Gotteslästerung oder Blutschande Verurteilte im Wasser des Rheines «geschwemmt» und andere gar ertränkt! Nach diesen wenig erbaulichen Ausführungen erfolgte der Aufstieg auf den
Munot über den renovierten Wehrgang, und anschliessend fand der gemütliche Teil der Veranstaltung im «Alten Emmersberg» statt. Angesichts des grossen Interesses soll der rechtshistorische
Stadtbummel ein anderes Jahr fortgesetzt werden. (A. Ma.)
Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 27. Oktober 1994