Mit der Montage der Rundsäulen und des Balkons vor und über dem Eingang des ehemaligen Zunfthauses Rüden ist auf dem Weg zur Vollendung dieser markanten Restauration gestern ein auch äusserlich sichtbares Zeichen gesetzt worden.

Das Haus der Krämer- und Rüdenzunft entstand in fiinfjährigei Bauzeit zwischen 1779 und 1784. Mil der überaus grosszügigen Baute, ihrem Prunksaal im ersten Obergeschoss und einem für Schweizer Verhältnisse geradezu luxuriösen Doppeltreppenaufgang antworteten die Krämer damals auf das sich zur selben Zeit im Bau befindliche Zunfthaus der Kaufleute an der Vordergasse (heute «Schaffhauser Nachrichten»). Auch der weit in die Gasse vorkragende, auf zwei Sandsteinsäulen abgestützte Balkon mag, als Zeichen eigener Wohlhabenheit, auf den Wettstreit zurückzuführen sein.

Doch die guten Zeiten für die Zünfte gehörten bald der Vergangenheit an. 1862 mussten die Krämer ihr prachtvolles Haus verkaufen, nachdem schon zuvor die Säulen und der Balkon, vermutlich aus «verkehrstechnischen» Gründen, zurückversetzt worden waren. Danach wurden die Säulen ganz entfernt und der Balkon auf zwei im Mauerwerk verankerte Eisenträger abgestützt. Doch der gefrässige Zeitgeist forderte weitere Opfer. Als der Rüden 1932 zum Geschäftshaus umgebaut wurde, gab man auch noch den Balkon auf die Schleife, und die grossartigen Stukkaturen an der Decke und an den Wänden im Zunftsaal verschwanden hinter einer profanen Verschalung.

Mit dem Rüdenumbau in ein Kongresszentrum der Ärztegesellschaft werden die alten Sünden, wo immer es geht, wieder gutgemacht. Der berühmte Saal wird restauriert, der Portikus rekonstruiert Die neuen Säulen und der Balkon sind von der Firma Wurster AG in St Margrethen aus dem Sandstein des eigenen Steinbruchs genau nach noch vorhandenen Plänen hergestellt worden. Nach Aussage von Architekt Felix Aries diente der Zustand des Portals im Jahre 1825 als Vorbild. So sind die gestern errichteten Säulen auf dem Trottoir abgestützt worden, das heisst, zwischen Säulen und Fassade wird kein Durchkommen sein. Vor den Säulen verbleibt für die Fussgänger ein Trottoirstreifen von nur 80 Zentimetern. Das wird sich aber ändern, wenn einmal auch die obere Oberstadt saniert wird. Die beiden Nischen über dem Balkon werden mit steinernen Vasen im Stil des Hauses geschmückt. Die Einweihung und Inbetriebnahme des Kongresszentrums Rüden ist nach wie vor für den April 1996 geplant. Der Baufahrplan stimme noch, sagt Felix Aries, doch es werde «allmählich eng». (MB.)

Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 13. Oktober 1995