Renaissance grosser Werke der Stukkatur im Rüden

Im Mai erstrahlt das vor mehr als 200 Jahren mit einem ausserordentlichen Aufwand errichtete Zunfthaus Rüden in neuem Glanz. Im Festsaal werden zurzeit die von grossen Meistern aus dem Süden geschaffenen Stukkaturen mit grosser Sorgfalt restauriert.

Während sich die ehemalige Kinopassage zwischen Rüden und Buchsbaum mehr und mehr mit neuem Leben füllt, sind im ehemaligen Zunfthaus zum Rüden an der Oberstadt noch immer die Handwerker an der Arbeit Das eindrucksvolle Bauwerk aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert wird mit viel Liebe und Sorgfalt in ein neues Bildungszentrum verwandelt. Mit den Rundsäulen im Portalbereich ist im Herbst des vergangenen Jahres ein erstes äusseres Zeichen der Wiedergeburt des markanten Hauses gesetzt worden. Aber auch im Innern der lange Zeit vernachlässigten Baute werden die Kunstwerke längst verblichener Meister wieder hervorgeholt Unter der Leitung des Architekten Felix Aries erwacht ein eigentliches Kulturdenkmal unserer Stadt zu neuer Blüte. Mit fachmännischer Beratung und handwerklichem Geschick wird der ehemalige Treffpunkt der Krämer in ein Bildungszentrum für höchste Ansprüche verwandelt

 

Streben nach Grösse und Prunk

Wie Hans Ulrich Wipf in seinen jüngsten Publikationen über die Baugeschichte des markanten Hauses an der Oberstadt aufgrund neu erschlossener Quellen nachweist, traten die Kaufleute und Krämer vor rund 200 Jahren in einen eigentlichen Wettbewerb um die Grösse und den Prunk ihres neuen Zunfthauses. Während die Kaufleute das heute von den «Schaffhauser Nachrichten» genutzte Zunfthaus an der Vordergasse erstellten, setzte Johann Ludwig Peyer alles daran, für die Krämer beim Obertor ein noch schöneres Zentrum zu bauen. Zu diesem Zweck wurden die besten Künstler und Handwerker der Region aufgeboten. Für die Stukkaturen im Festsaal liess der amtierende Zunftmeister sogar eine ganze Gilde von Meistern aus dem Tessin und der angrenzenden Lombardei über den Gotthard kommen. Ihre verblichenen Werke werden im Zuge einer umfassenden Restauration wieder sichtbar gemacht So verleiht die von den Gebrüdern Carl 'Antonio und Giacinto Cattó aus Mailand sowie Carlo Ghezzi aus Lugano gestaltete Empiredecke nach der Arbeit der einheimischen Stukkateure Werner Schlatter und Fridolin Schlatter dem grossen Festsaal wieder seine ursprüngliche Pracht. Auch die aus Gips modellierten Verzierungen an den Wänden treten wieder mit ihren feinen Konturen hervor. Mit sicherer Hand und subtiler Technik vermögen die heute tätigen Handwerker die übertünchten Werke ihrer grossen Vorfahren wieder neu zu gestalten. «Für unser Unternehmen ist das ein neuer Glanzpunkt in einer ganzen Reihe von wertvollen Restaurationsarbeiten im Bereich der Stukkaturen», gesteht Gipsermeister Werner Schlatter. Sein Vater hat ihn in jungen Jahren nicht umsonst nach Venedig geschickt, um dort bei den besten Stukkateuren unserer Zeit in die Schule zu gehen.

 

Juwel der Baukunst

Trotz dem unaufhaltsamen Vormarsch der Mikroelektronik in fast allen Bereichen unseres Lebens - auch die im Zunfthaus zum Rüden geplanten Fortbildungskurse im Bereich der Medizin -gibt es heute wieder vermehrt auch manuell tätige Menschen, die Kunst und Handwerk in ähnlich brillanter Weise wie ihre Vorfahren beherrschen. Dank der fachmännischen Begleitung durch die Denkmalpflege und dem finanziellen Engagement der Bauherrschaft gewinnt unsere Kernzone an der Oberstadt wieder ein eigentliches Juwel der Baukunst zurück. Im Mai dieses Jahres soll der aufwendige Innenausbau abgeschlossen sein. Im Juni will schliesslich die von Chefarzt Mario Litschgi präsidierte Akademie für Fortbildung ihren Betrieb aufnehmen. Neben den eigentlichen Tagungs- und Ausstellungsräumen werden im ehemaligen Zunfthaus eine Bibliothek, ein Sekretariat, ein Restaurant sowie Zimmer für rund 30 Personen eingerichtet.

Mit gutem Auge […] haben Werner Schlatter und Fridolin Schlatter die zum grossen Teil zerstörten Werke der aus Lugano und Mailand stammenden Meister des ausgehenden 18. Jahrhunderts wieder hervorgeholt.  (Bild: Max Baumann)
Mit gutem Auge […] haben Werner Schlatter und Fridolin Schlatter die zum grossen Teil zerstörten Werke der aus Lugano und Mailand stammenden Meister des ausgehenden 18. Jahrhunderts wieder hervorgeholt. (Bild: Max Baumann)
Die verwischten Verzierungen haben ihre scharfen Konturen wieder zurückgewonnen. (Bild: Max Baumann)
Die verwischten Verzierungen haben ihre scharfen Konturen wieder zurückgewonnen. (Bild: Max Baumann)
Solche Kunstwerke werden bald wieder im Festsaal des Zunfthauses Rüden zu bewundern sein. (Bild: Max Baumann)
Solche Kunstwerke werden bald wieder im Festsaal des Zunfthauses Rüden zu bewundern sein. (Bild: Max Baumann)
Mit Hilfe historischer Aufnahmen werden die durch den Zahn der Zeit entstandenen Lücken wieder rekonstruiert. (Bild: Max Baumann)
Mit Hilfe historischer Aufnahmen werden die durch den Zahn der Zeit entstandenen Lücken wieder rekonstruiert. (Bild: Max Baumann)

Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 14. Februar 1996 von Walter Joos