Bauvolumen provoziert Widerstand

Die zwischen Rosengasse und Frauengasse geplante Überbauung bleibt - zumindest von Seiten des Heimatschutzes - umstritten.

Nun sind die Dimensionen der zwischen Rosengasse und Frauengasse geplanten Überbauung sichtbar: Das in der vergangenen Woche beim provisorischen Parkhaus in der südlichen Altstadt montierte Baugespann lässt für jeden Betrachter die Ausmasse des gemäss Baugesuch insgesamt 50 731 Kubikmeter umfassenden Baukörpers erahnen. Die Investoren - die von Hermann Rütimann vertretene Gabl AG und die von Karl Klaiber repräsentierte Klaiber Immobilien AG - haben inzwischen das Baugesuch und die dazugehörenden Pläne beim städtischen Hochbauamt deponiert. Die Ausschreibung im Amtsblatt erfolgt in den nächsten Tagen. Bis zu welchem Zeitpunkt eine rechtsgültige Baubewilligung vorliegt, ist allerdings noch offen.

 

Abweisende Trutzburg

Trotz der Tatsache, dass Regierung und Stadtrat den Neubau auf dem Areal des bisherigen Parkhauses im Grundsatz befürworten, ist die Auseinandersetzung über die Gestaltung des von Architekt Felix Aries ausgearbeiteten Projektes noch lange nicht beigelegt. Im Gegenteil: In der vom Heimatschutz verfassten Stellungnahme wird neben der grossen Baumasse insbesondere die gewaltige Höhe der Fassade an der Rheinstrasse, die monotone Aufreihung der in der Altstadt fremd wirkenden Wohnblöcke zwischen Rosengasse und Frauengasse und der fehlende Bezug der Bauten zur gewachsenen Umgebung gerügt. Die bestehende kleinmassstäbliche Bebauung in der südlichen Altstadt wird durch den Neubau erdrückt und die architektonische Gesamterscheinung wirke -gleich einer Trutzburg - abweisend und zu abgeschlossen.

 

Ghettozugang zum Mittelhof

Auch im Detail orten die Verfasser der vom Schaffhauser Heimatschutz ausgearbeiteten Stellungnahme - Peter Bänziger, Rainer Ott, Pierre Nrma und Christian Degeller - verschiedene gestalterische Mängel. So empfinden sie die Pforten zum geplanten Mittelhof als «Ghettozugänge» und kritisieren die als nördlicher Abschluss geplante Querverbindung zwischen Frauengasse und Rosengasse als zu «kolossal». Ferner rügen sie die einseitige Orientierung des Baukörpers nach Süden, die mangelnde Auflockerung der seitlichen Fassaden, die Anordnung der Fenster auf die Gassen sowie die fehlende Durchlässigkeit zu den auf der nördlichen Seite liegenden Gebäuden. «Grundsätzlich steht der Heimatschutz einer neuen Überbauung auf der südlichen Seite des Herrenackers positiv gegenüber», erklärte gestern Peter Scheck auf Anfrage. Nach Auffassung des Präsidenten des Heimatschutzes - er ist im Hauptberuf als Stadtarchivar tätig - bietet ein solches Projekt neben wirtschaftlichen Vorteilen auch eine Möglichkeit, einen bisher wenig attraktiven Teil der Altstadt aufzuwerten. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, bedarf es nach seiner Ansicht jedoch zwingend der Rücksichtnahme auf die bestehende Umgebung. Peter Scheck hofft aus diesem Grunde, dass durch eine Verbesserung der beanstandeten Punkte eine für alle Seiten akzeptable Lösung gefunden werden kann. Diese Hoffnung wird auch von den Mitgliedern der Stadtbildkommission geteilt, die sich letzte Woche unter dem Vorsitz von Architekt Paul Both noch einmal eingehend mit den im Hochbauamt eingereichten Plänen befasst hat. Inzwischen liegt die verschiedene kritische Anmerkungen enthaltende Stellungnahme der Experten in schriftlicher Form im Stadthaus vor. Offensichtlich bereitet das vergleichsweise grosse Bauvolumen auch den vom Stadtrat beauftragten Experten in städtebaulicher Hinsicht einige Bauchschmerzen.

 

Behörden im Dilemma

Für die politischen Behörden zeichnet sich aufgrund dieser Lage ein echtes Dilemma ab: Wollen sie im Interesse der Wirtschaftsförderung den gestalterisch umstrittenen Plänen der Investoren zustimmen oder lehnen sie das Baugesuch - zumindest in dieser Form - aus städtebaulichen Gründen ab? Als salomonische Lösung bietet sich die freiwillige Berücksichtigung der gerügten Mängel und eine entsprechende Modifizierung der Pläne durch die Bauherrschaft an. Ob dies innerhalb einer vernünftigen Frist möglich ist, wird sich weisen.

 

Wichtigste Eckwerte des Projektes

Fläche des Grundstücks: 3147 Quadratmeter; Länge des Baukörpers: 101 Meter; Breite des Baukörpers: 29 Meter; Höhe des Baukörpers: 23 Meter; Geschossebenen: 9 (inklusive ein Kellergeschoss); Bauvolumen: 50731 Kubikmeter (davon 21 000 Kubikmeter unterirdisch); Wohnungen: 21 (8 Viereinhalb-Zimmer-Wohnungen und 13 Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnungen); Parkplätze: 263; Bruttogeschossfläche: 17 350 Quadratmeter (davon 3853 Quadratmeter für Wohnen, 3800 Quadratmeter für Dienstleistung, 1247 Quadratmeter für Erschliessung, 641 Quadratmeter für Technik und Lager, 499 Quadratmeter für Archiv und Keller, 50 Quadratmeter für Abstellräume, 37 Quadratmeter für Entsorgung und 7230 Quadratmeter für Parking).

Gewaltige Baumasse: Seit letzter Woche zeigt das Baugespann die Dimension der geplanten Überbauung.
Gewaltige Baumasse: Seit letzter Woche zeigt das Baugespann die Dimension der geplanten Überbauung.

Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 09. Juli 2002 von Walter Joos